Bereits am Abend meiner Anreise spricht mich der Tauchlehrer beim gemeinsamen Paella-Essen an. Ob ich Lust auf Schnorcheln oder Tauchen hätte. Zu Hause hab ich das schon auf meine Bucket List geschrieben. Sofort bekunde ich also mein Interesse. „There are two more girls going to join“, sagt er. „So we can go as a little group tomorrow.“ Begeistert nicke ich.
Ich hätte nicht gedacht, dass sich dieser Punkt auf meiner Liste so schnell erfüllt. Am nächsten Tag treffen wir uns mittags auf der Terrasse. Schade, dass es heute so bewölkt ist, denke ich. Ich frage mich, ob das Wasser kalt ist. Der Tauchlehrer hat Neoprenanzüge dabei. Wir probieren unsere an. Sie passen. Eine der beiden anderen hat schon Erfahrung im Schnorcheln. Sie scheint entspannt und ruhig. Die andere hat eine rauchige Stimme und wirkt fahrig und nervös. Sie erklärt mir, dass in 5 Stunden bereits ihr Flieger geht. „War nur 5 Tage hier. Viel zu kurz“, meint sie. Sie kommt auch aus Deutschland. Sie ist groß und dünn und ihre langen Locken hat sie zu einem Zopf geflochten. Sie hat die Ruhe weg, denke ich.
Wir packen die Anzüge und Flossen ins Auto des Tauchlehrers. Die beiden Mädels quetschen sich direkt hinten rein. Ich setze mich auf den Vordersitz. „Are you ready guys?“ Der Tauchlehrer lässt den Motor an. We Are ready. Zehn Minuten fahren wir über die Insel nach Abades. Er fragt mich, ob es okay ist, dass er im Auto raucht. „No Problem“, sage ich. Er lässt die Scheibe runter und zündet sich eine an. Wir haben Smalltalk und ich erfahre, dass der Tauchlehrer sein ganzes Leben als Selbstständiger unterwegs gewesen ist. Er kommt aus Madrid. War Chef einer Catering Firma. Jetzt ist er hier. Seit ein paar Monaten baut er sich ein Tauch-Business auf.
Dann ist kurz Stille. Er wirft schließlich seine Zigarette aus dem Fenster und lässt die Scheibe wieder hoch. Dann dreht er den Kopf auf einmal zu mir und mustert mich von oben bis unten. „How old are you?“ Ich sage, wie alt ich bin. Er ist mindestens 10 Jahre älter.
Wir parken nahe am Strand und nehmen die Ausrüstung aus dem Kofferraum. „Boah I’m excited“, sagt die Deutsche. Sie kann es kaum erwarten. Ich freue mich auch. Das andere Mädchen hat bisher kein einziges Wort gesagt. Auf dem Weg zum Riff, bei dem wir schnorcheln werden, frage ich sie, ob alles okay ist. Sie nickt.
Der Tauchlehrer erweist sich die ganze Zeit über als Gentleman. Er gibt uns wichtige Instruktionen, reicht die Hand, wenn wir barfuß über Steine laufen und zieht uns sogar die Schwimmflossen an. Im Wasser will er ständig meine Hand nehmen. Anscheinend damit ich nicht wegtreibe. Ich treibe nicht weg.
Wir schnorcheln los. Es ist toll, atmen zu können und trotzdem alles zu sehen, was unter Wasser passiert. Wir sehen Fische in allen Formen und Farben. Ohne auf die anderen zu achten, bereise ich die Unterwasserwelt. Ich schwimme direkt an den Felsen entlang. Dort bilden sich die spannendsten Riffe. Der Tauchlehrer hat gesagt, wir sollen nichts anfassen. Manche Tiere und Pflanzen seien giftig. Ich paddle mit meinen Flossen das Riff entlang, als ich auf einmal meinen Namen höre. Jemand ruft laut. Ich tauche auf und schaue mich um. Meine Brille beschlägt ein bisschen. Ich sehe, wie der Tauchlehrer mich zu sich winkt. Die anderen sind ein ganzes Stück entfernt. Schnell schwimme ich zu ihnen.
Wir schwimmen dann rüber zu den gegenüberliegenden Felsen. Dort zeigt uns der Tauchlehrer einen Trumpet-Fish. Er ist tatsächlich langgezogen wie eine Trompete. Ich erspähe auch eine Seeschlange. Schnell verkriecht sie sich unter Steinen. Immer wieder sind auch blaue Seesterne zu sehen. Sie sehen sehr interessant aus. Der Tauchlehrer schwimmt weiter runter und holt einen mit der bloßen Hand hoch. An der Wasseroberfläche betrachten wir ihn kurz. Der Seestern wandert einmal von Hand zu Hand und wird dann wieder an seinen Platz gebracht.
Später sehen wir noch einen Oktopus. Aber auch er versteckt sich schnell, als wir näher kommen. Mir wird immer kälter. Irgendwann sagt auch der Tauchlehrer, dass man uns ansieht, dass wir frieren. Durch den Ganzkörperanzug hab ich die Kälte des Wassers anfangs gar nicht gespürt. Jetzt ist mein Körper völlig unterkühlt. Wir sind bereits eine Stunde im Wasser und haben eine erstaunliche Strecke zurückgelegt.
Auf einmal spüre ich einen stechenden Schmerz in meiner rechten Hand. Unter Wasser schreie ich. Es kommen aber nur Luftblasen und ein dumpfes Geräusch dabei raus. Ich tauche auf. Meine Hand ist ein bisschen rot. Sie pocht. Ich hab irgendwas berührt, was giftig zu sein scheint. Ich melde mich beim Tauchlehrer. Sofort nimmt er wieder meine Hand. „You had bad luck“, sagt er. „I will give you something in the car to put on.“ Er hat es mir nie gegeben. Meine Hand ist kurz ein bisschen geschwollen, aber schon als wir wieder am Auto zurück sind, ist fast nichts mehr zu sehen. Nur drei rote Punkte sehe ich, als ich das hier gerade schreibe.
Zuletzt schwimmen wir noch zu einem Ort mit viel Seegras. Der Tauchlehrer meint, dass dort Schildkröten sind. Wir sehen keine einzige. Es ist mir auch egal.Ich will nur noch aus dem kalten Wasser raus.
Als wir uns aus den Anzügen schälen, meint das deutsche Mädchen, dass sie jetzt zurück ins Hostel muss, um noch zu duschen. Ihr Flieger geht in drei Stunden. Dafür wirkt sie ziemlich entspannt. Zurück im Hostel duschen wir in zwei Kabinen nebeneinander. Mir ist immernoch furchtbar kalt. Es dauert eine halbe Ewigkeit, bis das Wasser warm wird. „Ich muss mich voll beeilen“, meint die Deutsche neben mir. „Ich hab noch einen Joint.“ Sie lacht und erklärt mir über den Geräuschpegel der Dusche hinweg, dass sie den jetzt noch entspannt am Strand rauchen will. „Den kann ich ja nicht mit zurück nehmen“, sagt sie mit ihrer rauchigen Stimme. „Luxusprobleme“, fügt sie mit einem Lachen hinzu. Nach der Dusche bürstet sie sich hektisch die langen Locken. Ich hoffe, sie kommt rechtzeitig am Flughafen an, wenn sie jetzt noch gemütlich rauchen will.